Touristenattraktionen und die Suche nach Magie

Unser Reiseführer ist ein Witz! Er enthält keine Liste mit Restaurants oder Schlafmöglichkeiten, sondern ist eher eine Auflistung von Reiseanekdoten des Autors. Ein paar persönliche Tipps gibt er noch, wo „hübsche Hotels“ sind… ohne Preisangabe! Also, komplett nicht zu gebrauchen. (Ich fahre nie wieder ohne Footprint oder Lonely Planet los…)
Eine seiner Geschichten lese ich mir dann doch durch, als wir auf Maui in den Haleakala National Park fahren. Hier wollen wir eine Nacht verbringen, um dann am nächsten Morgen pünktlich zum Sonnenaufgang auf der Spitze zu sein.  Das hat der Reisebuchautor natürlich auch gemacht. Er erzählt wie kalt es dort oben war, dass jeder auf seine Art versucht habe sich warmzuhalten. Durch den wahnsinnig spektakulären Sonnenaufgang sei er dann entschädigt worden, er schildert die verschiedenen Farben die der Himmel angenommen habe. Aha. Neben ihm ein amerikanisches Ehepaar. Hätten ein paar Bilder gemacht, dann habe der Mann zu seiner Frau gesagt „Ok, we got it“, und dann seien sie wieder ins Auto und abgebraust. Mensch, diese Touris, denke ich noch…

Wir pennen also im Park, Reena und ich. Haben allerdings die Fahrt dorthin unterschätzt, und dann mussten wir auch noch im einzigen Supermarkt in der Pampa einkaufen, wo nix super ist bis auf die Preise… (aus Inhabersicht natürlich.) Also kommen wir im Dunkeln an, und der „Campingplatz“ ist eigenlich nur ´ne Wiese, Licht gibt´s hier nicht. Wir pennen dann mal wieder im Auto.

Am nächsten Morgen geht´s pünktlich um 4.15 Uhr los, rauf auf die Spitze. Über den Wolken soll die Sicht ganz toll sein.
Kalt ist es ganz arg, da hat der Reiesführermensch Recht gehabt. Gerade mal 5 Grad.. Was der Herr vergessen hat zu erwähnen, ist, dass hier oben ein Visitor Center steht, das man gaaanz bequem mit dem Auto erreichen kann. Oder mit dem Tourbus. Das haben sie dann auch gemacht, die ganzen Japaner, Amis, Deutschen… hier oben herrscht ein Geschnatter wie beim Kindergeburtstag, es piepst und surrt aus hunderten Kameras, das Visitor Center verleiht wollene Decken für die die nicht genug warme Sachen angezogen haben… Wer mit kleinen Kindern oder alten Leuten unterwegs ist oder einfach sehr empfindlich, der guckt einfach von drinnen dem Sonnenaufgang zu, hinter der Scheibe, aber dafür einigermaßen warm.
O Graus!
Ich versuche, stur geradeaus zu starren, auf den Berg, die Wolken, die Sonne. Aber blende mal einhundert Menschen aus, das ist gar nicht so einfach!
Reena guckt lieber von drinnen, da pfeift der Wind nicht so. Als die Sonne komplett über dem Hügel hervorgekrochen ist, drehen die meisten Besucher um, steigen in ihre Autos und fahren ab. Wie im Reiseführer. Jetzt kann ich langsam anfangen, das ganze zu genießen. Jetzt sind nur noch die Hartgesottenen hier, die auf steifgefronere Finger pfeifen, und auch keine Fotos mehr machen, sondern einfach gucken.
Kurz nach Sonnenauf- und kurz vor Sonnenuntergang finde ich das Licht immer am schönsten, wenn die Sonne ganz tief steht und lange Schatten malt und alles in Glitzerlicht taucht. In diesen Minuten ist die Welt immer ein bisschen stiller und ein bisschen schöner.
5 Minuten später kommt Reena aus dem Visitorcenter nach draußen und fragt „Wir ham´s doch jetzt, oder?“ Wie im Reiseführer! 😀
In Maui Stadt hatte ich ein paar Flyer gesehen von Touranbietern: „Bike down the volcanoe“. Die bieten echt an, einen auf den Vulkan raufzukarren im Auto, und dann bekommt man einen Helm, einen Schutzanzug, und darf mit Guide und 20 Gleichgesinnten den Berg runter radeln. Das scheint mir verabscheuungswürdig; ich finde, wer Downhill will, muss auch die Auffahrt durchleiden!
Das finden aber sehrsehrsehrviele andere nicht, deshalb dauert unsere Fahrt vom Vulkan runter gefühlt doppelt so lange wie hoch, weil alles voller Senioren auf Rädern ist die man nicht überholen kann. Allerdings, der Mensch im Van, der die alle hochgekarrt hat, ist jedes Mal sehr kooperativ, fährt rechts ran und lässt uns vorbeiziehen sobald er die Möglichkeit dazu hat. Ich glaube, der verabscheut seine Radler auch…

Diese Touristenattraktionen passen mir alle nicht! Ich will Hawaii sehen, nicht maßgeschneiderte Touren! Ich will was machen, was NICHT auf einem Flyer angeboten wird! Etwas, wofür ich nicht 60 Dollar zahlen muss. Aber das scheint ja hier aussichtslos, Hawaii ist erschlossenes Terrain. Willkommen in der Zivilisation…

Unsere nächste Insel nach Maui ist Hawaii/ Big Island. Wir landen in Kona auf dem Pendlerflughafen, da wir mit der billigen Propellermaschine hergekommen sind (Schwitzehände inklusive…). Wir steigen in Kealakekua im Pineapple Park Hostel ab, das ist ganz hübsch. Kona ist ein nettes Städchen, ähnlich wie Lahaina auf Maui. Hier finden wir beim Bummeln Diamond Dave´s Tattoostudio, und Reena kann nicht widerstehen. Hat jetzt eine Schilkröte und Hibiskus auf´m Bein.
Unser nächstes Ziel ist Hilo, die größte Stadt Hawaiis. Und angeblich die regenreichste Stadt der USA, wovon wir aber nichts merken. Garnichts.
Leider ist es aber auch nicht die schönste Stadt… aber ein paar Sachen hier in der Gegend wollen wir uns dann doch angucken. Die Candy Factory zum Beispiel! Hier kann man sich durch´s Sortiment probieren, großartig!! 🙂

Und zu den Rainbow Waterfalls wollen wir, die sind ja so berühmt. Natürlich fahren wir erstmal dran vorbei, weil ich das Schild übersehe, und landen bei den „Boiling Pots“. Okay, die wollten wir ja auch sehen. Laut Reiseführer auch sehr hübsch. Hier geht man 10 Meter betonierten Weg entlang, dann kommt man zu einer Aussichtsplattform mit Eisengeländer, und kann runter gucken auf die Boiling Pots. Das sind Becken im Flussverlauf, zwischen denen es dutzende kleiner Wasserfälle gibt, und die dann zu den Rainbow Waterfalls laufen. Die Aussicht ist auch echt nett, und wir machen unsere Fotos. Trotzdem bin ich enttäuscht… Schon wieder Drive in-Natur. Neben der Absperrung ist ein Schild, Schwimmen und Vom-Wasserfall-Springen sind hier verboten. Ja, wie sollte man auch, ist doch viel zu weit!! Dann gleitet mein Blick am Schild nach unten… und was sehen meine entzündeten Augen?! Da gibt´s ja ´nen Weg, hinter dem Geländer!! Und „Weg“ ist maßlos übertrieben, es ist ein matschiger Trampelpfad. Yeah, das könnte doch interessant werden! Ich quetsch mich unter dem Geländer durch und schlitter in Flip Flops den Matschweg runter. Reena ist erst zögerlich, kommt dann aber nach.
Ja, und wenn man sich da ein wenig durch´s Unterholz schlägt und über Felsen klettert, dann gelangt man tatsächlich zum Flusslauf! DAS ist schön hier! Man zerschneidet sich die nackten Arme und Beine am mannshohen Schilf, wird von den hier heimischen Mücken verspeist, und der Hosenboden wird ordentlich dreckig, weil man manche von den Matschhügeln besser im Sitzen bezwingt. Aber SO ist das viel eher nach meinem Geschmack!! Einfach mal die Füße im eiskalten Flusswasser baumeln lassen.
Als wir stunden später zu den Rainbow Falls fahren, machen wir auch erst wieder unser Foto von der dortigen Betonplattform, und dann finden wir auch hier einen Trampelpfad zum Fluss hinab. Und man kann tatsächlich direkt bis vorne an den Wasserfall über die Steine turnen und sich das Schauspiel von oben angucken. Von der Geschwindigkeit mit der Wasser da runterknallt und der Wucht wird mir ganz schwindelig…
Wir klettern ein bisschen weiter hier rum, und Reena meint, sie würde so gerne auf die Steine in der Mitte vom Fluss gehen. Das geht aber nicht ohne nass zu werden. Also, kurzerhand die Sachen am Ufer deponiert, raus aus den Klamotten, und in Unterwäsche weiter. Ich rutsch natürlich gleich auf dem ersten Stein aus (die SIND aber auch glibschig!) und steh bis zum Hals im eiskalten Wasser. Aaaaber ich komme heil auf den Steinen in der Mitte an, setz mich auf die warmen Felsen und lass mir die Sonne auf den Bauch scheinen. Na bitte, da ist er doch endlich, mein magischer Moment!! 🙂

2 Responses to “Touristenattraktionen und die Suche nach Magie”

  1. encanto sagt:

    Hey, das ist doch mal ne story! Ich liebe es, wenn Touris sich ueber Touris aufregen. Aber Du bist ja inzwischen ne Fortgeschrittene und meidest die Hotspots, ausser mal fuer Isadora…
    Das 3055m-Foto ist ja suess, da siehste ja voll aus wie Moni in Deinem Alter, na sowas!

  2. tinibini sagt:

    Von wem hab´ ich das wohl, mich ständig über andere Touristen aufzuregen??…. Hmmm, mal scharf nachdenken… 😉

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