On the road

Von Vegas musste ich mich echt losreißen. Bin schon viel länger dort geblieben als ich vorhatte, und mein teurer Mietwagen stand ungenutzt vor der Hosteltür, ohne sich einen Zentimeter zu bewegen. Außerdem wollte ich doch soooo viel noch sehen! Und wenn ich Vegas nicht JETZT verlasse, dann bleib´ ich noch hängen bis zu meinem Abflug am 22.6…. Und das will ja keiner!

Vegas will mich allerdings nicht gehen lassen. Ich ohne Navi, vertraue voll auf meinen neugewonnen geglaubten Orientierungssinn und fahr´ einfach mal los. Zum Grand Canyon will ich, da soll ich auf den Highway 93 und danach auf 40. Klingt doch pipieinfach! Erst mal gurke ich aber ´ne geschlagene Stunde durch die Stadt, bis ich mal IRGENDeinen Highway finde. Ist die 95, aber mein unschlagbar logischer Verstand sagt mir, dass die parallel zur 93 verlaufen wird und ich schon irgendwann da rüberwechseln werden kann. Also auf. Nach ´ner Stunde Fahrt durch die Wüste kommt mir der brillante Gedanke, doch mal ´nen Blick auf die Karte zu werfen. Und tadaaaa: Ich fahre tatsächlich seit ´ner Stunde in die falsche Richtung. Genial! Also wieder zurück. Großen Bogen um Vegas machen und nicht mal aus der Ferne auf die Skyline gucken, da krieg´ ich nämlich Pipi in die Augen… Scheinbar macht mich nicht nur Fliegen sentimental, sondern neuerdings auch Autofahren.
Als ich dann aber irgendwann die 93 finde und ganz sicher auf dem richtigen Weg bin, da stellt sich doch langsam wieder ein gutes Gefühl ein. Den Hoover Dam guck ich mir noch an und den Lake Mead, die liegen praktischerweise auf dem Weg.
Dann fahr´ ich irgendwann vom Highway ab und folge der historischen Route 66. Leider keine Fotos, ich muss ja fahren. Aber es sieht eh GENAU so aus wie man sich das vorstellt: Neben der Straße kriechen Güterzüge entlang, es gibt Diner im Stil der 50er Jahre die charmante Namen tragen wie „Sue´s Diner“ oder „Roadkill Café“, und statt PKW begegnet man hier vornehmlich Trucks, Bikern und Wohnmobilen.
Für den Sonnenuntergang über dem Grand Canyon bin ich dann natürlich viel zu spät. Ich fahr zum Skywalk rauf. Das ist eine Aussichtsplattform mit Glasboden, die in den Canyon reinragt und als Touristenabzocke verschrieen ist. Da will ich NICHT rein, aber der Canyon is ja groß denk ich, da muss man ja auch von daneben was sehen. Im Dunkeln komm ich dort an und werd´ von einem Ranger abgefangen. Zu sei, ich könne morgen früh ab 7 wiederkommen. Ich wolle aber Sonnenaufgang gucken. Ja, der sei um 5.30 Uhr. Da könne ich noch nicht rein. Ob ich denn dort oben irgendwo anders gucken könne. Ja, durchaus. Jetzt müsse ich aber das Indianerreservat wieder verlassen, gute Nacht.
Ich verbring also die Nacht im Auto vor´m Eingang zum Reservat zwischen zwei Wohnmobilen. Um 5 klingelt der Wecker und ich fahre wieder hoch. Der gleiche Ranger weist mich an, mein Auto auf dem entferntesten Parkplatz abzustellen. Den Weg zum Canyon versperrt hier ein Maschendrahtzaun, hinter dem sich eine kleine Landebahn erstreckt. Als ich den einzigen sichtbaren Weg entlangstapfen will, pfeift er mich zurück. Man öffne um 7. Hab´ ich kapiert, ich wolle ja gar nicht REIN, nur RAN. Neinnein, das geht nicht. Wo sei denn bitte der nächste Zugang zum Canyon in der Gegend? Da hat´s keinen, nur hier, man öffne um 7. Ich rolle mit den Augen, bedanke mich mit einem herzlichen „Oh, this is SO american!!“ und fahre ungesehenen Canyons wieder ab.

Der neue Plan ist, nach Flagstaff zu fahren und von dort zum Haupteingang des Canoyon Nationalparks zu fahren. Netterweise hatten mir in Vegas im Hostel ein paar Jungs ihre Eintrittskarte geschenkt, die ist noch 5 Tage gültig. Also wieder stundenlang durch die Wüste fahren. Das ist schon speziell. Zwischen den Hügeln pfeift der Wind teilweise so stark, dass es einem fast das Lenkrad aus der Hand reißt. Und da es hier keine Bäume oder Sträucher gibt die sich im Wind bewegen würden, allenfalls ein paar Bodendecker, trifft der Wind einen doch recht überraschend. Ein paar schlaue Menschen haben streckenweise flatternde Papierstreifen an die Leitplanken getackert, um den Wind doch sichtbar zu machen.
Haufenweise Präriehunde säumen den Weg, ich überfahr fast eine Klapperschlange, und ein Roadrunner läuft vor´m Auto über die Straße. Und ich schwör´s, dessen Beine drehen sich im Kreis, genau wie bei den Looney Tunes! 😀
Bis Williams fahre ich ein Rennen mit zwei Bikern. Die fahren hier raus, hier geht´s nämlich schon zum Canyon. Ich fahr noch bis zur nächsten Raststätte und dann pünktlich zum Sonnenuntergang auch zum Canyon.
Stell mein Auto auf den Parkplatz und lauf die zehn Minuten bis zum Kraterrand. Und bin total aufgeregt – der GRAND CANYON! Da isser! Zehn Sekunden lang bin ich total euphorisch… und dann denk ich „Und jetzt??“ Tja, was macht man jetzt mit so ´nem Canyon? Pflichtfotos. Schön. Können Andere besser, und die verkaufen das dann bei IKEA. Dafür hätt´ ich doch nicht herkommen müssen… Ein bisschen unentschlossen lauf´ ich am Rand des Canyons entlang, mach hier noch ein Foto und da noch eins, und noch ein paar vom Sonnenuntergang. Und verlasse daraufhin den Park wieder und kehre dem ach so wunderbaren Grand Canyon den Rücken.
Die Nacht verbringe ich an einer Raststätte im Auto zwischen Trucks. Dort gibt´s am nächsten Morgen ´ne Truckerdusche für 10 Dollar und Frühstück von McDonald´s und Subway to go.

Einen Tag hab´ ich noch, bevor ich das Auto zurückgeben muss, und da mir LA beim letzten Mal ja so gar nicht gefallen hat, fahre ich dort dran vorbei Richtung San Diego. Da ich auf der Vegas gegenüberliegenden Seite der Berge vorbeifahre, durchkreuze ich von Arizona aus diesmal nicht Nevada, sondern komme direkt wieder nach Kalifornien. Ein Schild macht mich darauf aufmerksam, dass hier jetzt kalifornische Zeit gelte. Ups, war mir gar nicht aufgefallen dass ich in einer anderen Zeitzone war… 😀
Kaum hat man die Staatengrenze überschritten, sind auf dem Highway nicht mehr 75, sondern nur noch 70 mph gestattet. Man möchte sich wohl deutlich abgrenzen.
Ganz nach San Diego schaff´ ich´s an dem Abend nicht mehr. Die dritte Nacht im Auto, diesmal auf ´nem fast leeren Parkplatz vor ein paar Wohnhäusern. Nur morgens kommt ein Pärchen an das Auto das meinem gegenüber geparkt ist, er guckt aus der Ferne rein und ruft „Oh, nice!“ und lacht. Na guten Morgen…

San Diego ist wunderschön, gefällt mir richtig gut! Leider wieder keine Fotos (ich muss ja fahren), aber ich hätt´ eh nur Häuser geknipst. So gemütlich sieht hier alles aus, und die Architekten müssen hier alle Europäer gewesen sein. HÜBSCH! Ach, und das Beste an San Diego kann man eh nicht auf Foto festhalten: Es riecht hier unglaublich gut. Egal wo ich aussteige, es duftet! Nach Meer und Fisch und Sand, oder nach Selbstgekochtem, oder meistens einfach nach Blüten und Bäumen und Gras. Ein paar Stunden lege ich mich in einen Park und atme Naturgeruch und höre dem Klingeln eines Windspiels vor dem angrenzenden Wohnhaus zu. Schöööööön.
Hier in Kalifornien gibt es einen Strauch, der wächst scheinbar wie Unkraut, der rankt sich über Mauern und an Bäumen empor und riecht wie Flieder, sieht aber ganz anders aus, hat große weiße spitze Blüten. Jedes Mal wenn ich daran vorbeikomme bleib´ ich kurz stehen, atme tief ein und denke ich wär acht, es wäre Ostersonntagmorgen und ich würd´ bei Oma im Doppelbett aufwachen.

Trotz aller Schönheit verlasse ich San Diego noch am gleichen Abend wieder auf der Interstate 5 Richtung LA, da ich dort so früh das Auto zurückgeben muss und nicht sicher bin, ob das ohne Navi alles gut geht… Es dauert auch verdammt lange bis ich den blöden Flughafen finde, da der absolut nirgends ausgeschildert sein will… Als ich ihn dann gegen 1 Uhr nachts doch finde, stellt sich die Frage wo schlafen? Ich gurk so rum, werd müder und müder… und finde letztendlich einen Parkplatz vor einem offensichtlich leerstehenden Kirchengebäude im Industriegebiet neben dem Flughafen, direkt hinter dem Maschendrahtzaun der den Kirchplatz von einer Barackensiedlung abgrenzt. Ja, die vierte und letzte Nacht im Auto.
Am nächsten Morgen Frühstück im ihop. Da ist alles voller mexikanischer Kids die ihre Papas am Vatertag ausführen. Dann weg mit dem Auto und Ende von Roadtrip.

One Response to “On the road”

  1. Mutti sagt:

    Sogar in der weiten Welt wirste an zu Hause erinnert. 🙂

Leave a Reply